Governance und Kultur in Europa

Das Center for Governance and Culture in Europe (GCE-HSG) verfolgt zwei Ziele: die interdisziplinäre Europaforschung an der Universität St. Gallen zu profilieren und die internationale Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Forschungseinrichtungen in ganz Europa zu fördern. Unsere Forschung zu Governance-Systemen und -Kulturen befasst sich mit Formen und Mustern der Interaktion, in denen eine Vielzahl von öffentlichen und privaten Akteuren die öffentliche Politikgestaltung und das gesellschaftliche Verhalten im Allgemeinen prägen. 

Europa hat sich seit Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts dramatisch verändert. Im Westen haben die ersten Schritte zur gegenseitigen Verständigung wesentlich zur friedlichen Zusammenarbeit und zum gemeinsamen Wohlstand beigetragen. Der Zerfall der kommunistischen Systeme führte zu einer heterogenen Situation: Die Regierungsformen reichen von einer raschen EU-Integration bis zum Rückfall in autoritäre Herrschaft. Gleichzeitig haben die jüngsten Vorgänge (z.B. die Finanz- und Flüchtlingskrise in der EU oder die Kriege in Georgien und in der Ukraine) sowohl die Fragilität der gewachsenen Strukturen innerhalb der Europäischen Union als auch die Bedeutung einer friedlichen Lösung politischer Konflikte auf dem Kontinent eindrucksvoll vor Augen geführt. Die Tatsache, dass mit Ausnahme des autoritären Regimes in Belarus alle 47 europäischen Länder von Aserbaidschan bis Island und von Portugal bis Russland (bis zum 25. Februar 2022)  Mitglieder des Europarates sind, deutet auf ein breites Interesse der Staaten und Gesellschaften in ganz Europa an Kommunikation und Kooperation hin. 

Mit den Prozessen der Globalisierung, Liberalisierung und Europäisierung entwickelt sich auch die Zusammenarbeit zwischen staatlichen und privaten Akteuren bei der Steuerung der sozialen Produktionssysteme im heutigen Kapitalismus. Ein wichtiger Trend in diesem Zusammenhang ist, dass die Unternehmen immer mehr Einfluss auf die Steuerung der verschiedenen Teilsysteme der Gesellschaft gewinnen, z. B. auf die allgemeine und berufliche Bildung, die Arbeitsbeziehungen oder die Finanz- und Steuersysteme. Es ist jedoch nur wenig darüber bekannt, wie Staaten und intermediäre Akteure wie Unternehmens- und Arbeitnehmerverbände in der Lage sind, den Unternehmen nützliche Auflagen zu machen, um sie zur Zusammenarbeit zu ermutigen, die wiederum teilweise über die individuelle Gewinnmaximierung hinausgehen und auch zu gesellschaftlichen Zielen beitragen. 

Die verschiedenen Projekte, die im Rahmen des GCE-HSG durchgeführt werden, untersuchen die oben erwähnten sozialen, wirtschaftlichen, politischen, staatlichen und kulturellen Entwicklungen aus einer theoriegestützten, interdisziplinären und vergleichenden Perspektive.

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